Ich lächelte und setzte mich an das Klavier. Mit nur einer Hand war jedes andere Instrument schwierig, doch Klavier ging und ich konnte es sogar recht gut spielen. Ich schlug gerade die ersten Takte an, als ich mein Handy in meiner Tasche brummen hörte. Ich setzte kurz ab und sah drauf. Es war Felix der anrief. Da muss ich dran gehen. Verhaltet euch ruhig, hört ihr? Streng sah ich die Klasse an und ging dann vor die Tür, welche ich offen stehen ließ, ehe ich abhob. Was ist denn? "Lars hat sich das Handgelenk verstaucht. Herr Taylor sagte ich soll dich anrufen, damit du uns abholst." Ich warf einen Blick zurück in die Klasse und seufzte leise. Hält er noch eine Stunde aus? Ich kann diese Klasse nicht alleine lassen. "Lars! Rico kann erst in ner Stunde!" "Passt schon!" Na der klingt ja sehr fröhlich. "Herr Taylor hat ihm ein Bonbon gegeben." Gib mir mal euren Lehrer. Es knisterte etwas am Handy, dann meldete sich eine erwachsene Männerstimme. "Herr Beorn?" Ja, ich bin dran. Können sie die beiden für eine Stunde beaufsichtigen? Ich kann hier noch nicht weg und sonst kann sie keiner abholen. Der Mann seufzte, doch willigte dann ein. Er wusste in welcher Situation sich unsere Familie befand und das wir alleine da standen.

Ich lauschte ihm, wie er die ersten Takte ansetzt, aber dann den Raum verlassen musste, weil er telefonieren musste. Unsicher stand ich zwischen den anderen, die wieder laut wurden, zu reden begannen und Papierflieger rum warfen. Nach einer Weile überwand ich mich und setzte mich selbst an das Klavier. Dann begann ich zu spielen. Meine Hand raste förmlich über die Tasten, ich konnte aber genau den Takt halten und vertiefte mich in das Spielen, sodass ich nichts um mich herum mit bekam.

Jedoch spielte ich nur ein kleinen Teil, kurz danach schlich ich mich hinaus auf den Gang. Nachdem ich eine Ecke fand, in der niemand war, holte ich eine Spritze und setzte diese in der Armbeuge an einer Vene an. Leicht verzog ich das Gesicht, als die Nadel die Haut durchstach.

(Yiruma - Rover flows in you)

Ich seufzte als ich aufgelegt hatte und fuhr mir über das Gesicht, als ich aufgelegt hatte. Ich konnte nur Gott danken, dass meine Brüder noch bei mir versichert waren. Ich hatte nicht bemerkt, dass jemand die Klasse verlassen hatte, also ging ich einfach wieder rein. Aufstellung! Von einer Sekunde zur anderen verstummten die Stimmen und ich setzte mich wieder ans Klavier. Ich war in Gedanken noch bei meinen Brüdern und so dachte ich gar nicht darüber nach, ob alle Schüler noch da waren. Die, die immer bei mir waren wussten wie ich war, wenn ich böse wurde und so würden sie nie die Klasse verlassen. Zwei, drei, vier... Die Schüler sangen brav die Texte durch und ich war richtig stolz auf sie, denn es klang immer besser. Erst als ich sie am Ende der Stunde entließ fiel mir siedend heiß auf, dass jemand fehlte. Ich hielt Oliver auf. Hast du Ally gesehen? "Die Neue? Nicht seit wir hier rein gegangen sind." Ich seufzte und entließ den Jungen in den Schulschluss. Ich musste meine Brüder abholen, doch ich musste auch herausfinden wo Ally hingegangen war. Ally? Vielleicht war sie ja doch noch im Gebäude. Ich ging schnellen Schrittes durch die stillen Gänge und rief sie.

Auf einmal hörte ich eine bekannte Stimme meinen Namen rufen. Ich hatte bereits angefangen, mir einen zweiten Schuss zu spritzen. Jedoch erschrak ich dann so, dass die dünne Nadel abbrechen. Während der eine eine Teil schleppend zu Boden fiel, stak die Nadel noch in meiner Haut. Jetzt ist es vorbei... Er findet mich sowieso... Ich rutschte an der Wand zu Boden. Tränen rollten mir bereits über die Wangen. "Ich bin hier...",rief ich, meine Stimme zitterte.

Ich lief schon auf das Scheppern zu, noch ehe ich Allys Stimme hörte. Ich rutschte mehr um die Biegung des Gangs, als das ich herum lief. Ich hatte es nicht so mit Richtungswechseln, also hatte ich Glück, dass es so funktionierte. Die Szene die ich nun vor mir sah war mir seltsam vertraut. Wir hatten manchmal Schüler die Drogen nahmen, doch bisher hatten sie immer zu anderen Klassen und Lehrern gehört. Ich eilte zu Ally und kniete mich vor ihr hin. Anbrüllen würde ich sie jetzt nicht. Dazu war später noch Zeit. Jetzt musste ich sie ersteinmal beruhigen, denn sie weinte ziemlich heftig. Was machst du denn? Ich nahm die abgebrochene Nadel und zog sie aus ihrem Arm heraus.

Ich merkte, wie er zu mir kam. Jetzt wird er mich gleich anschreien, zum Direktor schleifen und dann fliege ich erneut von der Schule... Jedoch kniete er sich vor mich hin und zog mir die Nadel aus dem Arm. "Ich will aufhören, aber ich... Ich schaff das einfach nicht! Ich will doch auch mal vergessen, dass mein Leben Scheiße ist und es auch mal genießen! Ich kann einfach nicht mehr! Das ist auch der Grund, warum ich von den Schulen geflogen bin! Uns jetzt hab ich selbst hier meine Chance verspielt!", brachte ich weinend hervor. Im Moment vergaß ich, dass ich hier mit meinem Lehrer sprach, ich diesen kaum kannte und sonst nie so ehrlich war wie jetzt.

Ich überlegte während ihrer Ansprache, der ich genau zuhörte, ob ich sie umarmen sollte. Ein Lehrer sollte das eigentlich nicht tun, denn das konnte zu Vorwürfen führen und das konnte ich mir nicht leisten, doch Ally sah gerade so verzweifelt aus, dass ich etwas tun musste. Also zog ich sie leicht an meine Brust, den Arm um ihre Schultern. Ist ja schon gut. Wir finden eine Lösung, okay? Irgendetwas fällt uns schon ein. Beruhige dich doch.

Seine Umarmung überraschte mich ein wenig. Jedoch schaffte ich es, mich langsam wieder zu beruhigen. "T-tut mir leid, ich...",stammelte ich, nachdem ich mich wieder etwas beruhigt hatte. Er war einer der wenigen, den ich womöglich sogar meine ganze Geschichte anvertrauen würde.

Schon gut, schon gut. Hey, keine Situation ist unlösbar, hörst du? Ich ließ sie wieder los und lächelte sie aufmunternd an. Dann sammelte ich die Nadel zusammen mit der Spritze ein und steckte sie in meine Tasche. Verrätst du mir bitte was du da genommen hast?

"Da war Ketamin drin", kam es langsam von mir, die Wirkung entfaltete sich langsam komplett. Ich wurde zunehmend verwirrter, geistig leistungsschwächer und vergaß Bruchstücke. Dann starrte ich ins Leere. "Die Sonne is so schön warm", nuschelte ich mit wirrem Grinsen und leerem Blick.

Okay, es hätte was schlimmeres sein können. Doch was sollte ich nun mit der Schülerin machen? Sie schien nicht so viel intus zu haben, dass es gefährlich für sie werden könnte, doch ich konnte sie nicht alleine lassen und melden wollte ich sie auch nicht. Sie schien es wirklich schwer zu haben und ich wusste nur zu gut wie es sich anfühlte, wenn einem die Kontrolle entglitt. Doch genauso musste ich nun meine Brüder abholen. In der Schule war niemand mehr. Ich wusste, dass um diese Zeit grundätzlich nichts los war. Ich war oft noch bis spät Abends hier. Ich fasste einen entschluss und erhob mich etwas, ehe ich Ally auf meinen Arm hob. Na komm. Wir nüchtern dich aus okay? Du kommst mal mit mir meine Brüder abholen und dann überlegen wir uns was.

Ich merkte nicht richtig, wie er mich auf seinen Arm hob. "Ok, bring mich aber nich... Warum ist die Sonne auf einmal weg... Es is kalt", jammerte ich dann auf einmal. Mein Blick blieb weiter leer.

Schon gut. Im Auto ist es wärmer. Ich murmelte immer wieder beruhigende Worte und ging mit Ally auf dem Arm zum Ausgang. Sie war ziemlich leicht wie mir auffiel. Draußem angekommen ging ich zu meinem alten Auto und schaffte es, mit einigen Verrenkungen, dieses aufzuschließen und die Schülerin auf den Beifahrersitz zu setzen. Sacht schnallte ich sie an und setzte mich dann auf den Fahrersitz. Ich startete den Wagen und lenkte das klapprige Gefährt aus der Parklücke und der Schule meiner Brüder zu. Ich drehte die Heizung auf volle stärke auf. Dadurch bließ sie laue Luft ins Auto, aber erst als wir schon ziemlich lange gefahren waren.

Mit leerem Blick starrte ich gerade aus, während er fuhr. Es wurde langsam warm hier drin, jedoch war mein Kalt-/Warmempfinden gestört war, bekam ich nicht so ganz mit, dass das Auto später schön warm wurde. Irgendwann lehnte ich meinen Kopf gegen das kühle Glas, starrte aber weiter mit leeren Augen hinaus.

Ich parkte vor der Schule meiner Brüder. Ich bin gleich wieder da. Bleib bitte hier. Ich hoffte das Ally mich verstanden hatte, denn ich musste mich nun wirklich beeilen. Ich versperrte das Auto von außen und eilte ins Schulgebäude. Ich kannte den Weg zur Direktion leider gut genug und klopfte an die Tür. "Herrein!" Ich trat ein und sah meine Brüder auf den Stühlen vor dem Schreibtisch des Direktors sitzen. "Rico!" "Ah, Herr Beorn. Gut das sie gekommen sind." Tut mir leid, dass ich nicht sofort konnte. "Ich verstehe schon. Sie können die beiden jetzt mitnehmen." Ich lächelte und kniete mich neben Lars hin. Kannst du laufen? "Trag mich!" Bist du dafür nicht langsam zu alt? "Ich will auch!" Du bist nicht verletzt Felix. "Bitte! Du machst das nicht mehr so oft." Ich seufzte, doch ließ mich breitklopfen. Felix kletterte auf meinen Rücken und hielt sich fest, während ich Lars auf den Arm nahm. Ich konnte von Glück reden, dass ich stark genug war. Der Direktor lächelte und öffnete mir die Tür. Danke. Ich machte mich auf den Weg zurück zum Auto und meine Brüder erzählten mir von ihrem Fußballspiel und wie Lars gefoult worden war. Ich lachte leise und hörte zu. Kurz vor der Tür blieb ich aber stehen und wurde ernster. Hört mal. Ich hab im Auto noch eine neue Schülerin aus der Schule. Sie hat etwas genommen und ich konnte sie nicht alleine lassen. Ihr wisst, dass das nicht erlaubt ist, aber wir nehmen sie für heute mit zu uns, bis sie mir ihre Adresse sagen kann. "Ist gut." "Wie heißt sie?" "Was hat sie genommen?" "Warum hat sie das gemacht?" Zu viele Fragen ihr zwei. Ich trug meine Brüder nach draußen und schloss die Autotür auf, nachdem Lars sich selbst an mir festhielt. Dann setzte ich ihn hinein und ließ auch Felix neben seinen Bruder klettern.