Mein Kopf lehnte noch immer an der kühlen Scheibe. Jedoch klang die berauschende Wirkung ein wenig ab, mein Wärmeempfinden war nun wieder intakt, die Umwelt bekam ich trotzdem nicht richtig mit. Ich hörte, wie die Autotür geöffnet wurde und er zwei Jungs rein setzte, aber ich bekam sonst nicht viel mit.

"Können wir was zu Essen bestellen?" "Können wir Musik hören?" "Hilfst du uns bei den Hausaufgaben?" "Mein Fuß tut weh!" Ich startete geduldig das alte Auto und fuhr los, einen letzten besorgten Blick auf Ally werfend. War das wirklich eine gute Idee? Wie haben noch etwas zu Essen von Gestern Zuhause, sicher helfe ich euch und Lars, wir geben da Zuhause dann Eis drauf, okay? Ich drehte leise das Radio auf und lenkte den Wagen den kurzen Weg Nachhause. Angekommen stieg ich aus und ging zunächst zur Beifahrertür, die ich öffnete. Kannst du laufen Ally?

"Ich denke schon, ich muss es versuchen", meibte ich dann. Nich lief ich ziemlich neben der Spur und auch meine Koordination war total mies. Ich versuchte, mich selbst abzuschnallen, was beim ersten Versuch völlig daneben ging. Dann erst klappte es, doch beim Aussteigen schwankte ich gefährlich und sah den Boden schon näher kommen.

Gerade noch rechtzeitig griff ich nach Ally und fiong sie auf. Ich denke die Antwort ist doch eher nein. Müde überlegte ich wie ich das lösen konnte, wir mussten immerhin doch einige Treppen hinauf. Ich sah Lars an und lächelte. Kannst du auf meinen Rücken klettern? Er Nickte und tat genau das auch gleich, mit Hilfe seines Zwillings. Er hielt sich gut fest und so konnte ich Ally auch wieder auf meinen Arm nehmen. Anschließend leitete ich Felix an all das zu tun, für das ich nun keine Hand mehr frei hatte. Auto versperren. Sehr gut. Schlüssel in meiner rechten Jackentasche. Haustür aufsperren. Danke. Ich ging schweren Schrittes durch die Tür und achtete darauf, dass ich keinen der beiden Menschen irgendwo anschlug, die ich gerade trug. Lauf schon mal vor Felix und sperr die Tür auf, okay? "Ja!" Er rannte vor und ich stapfte ihm schwer nach. Im 5. Stock angekommen schnaufte ich schon sehr, doch schaffte es noch durch die Tür, ehe ich Ally auf einen Stuhl setzte und mich hinkniete, damit Lars von mir runter klettern konnte. Unsere Wohnung hatte nur zwei Zimmer und ein Bad. Die Zwillinge hatten zusammen das Extrazimmer, während das andere Küche, Wohnzimmer und meinen Arbeitsbereich in sich vereinte. Ich schlief auf der ausziehbaren Couch. Es war nicht viel oder toll, doch ich konnte es mir gerade noch so leisten.

Ich atmete tief durch. Die Wirkung des Stoffs klang nun langsam ab und mein Körper signalisierte mir, dass ich wieder einen Schuss brauchte. Das leichte Zittern meiner Hand konnte ich verbergen, langsam spielte auch meine Koordination wieder mit. "Danke", kam es leise von mir.

Kein Problem. Ich bin gleich wieder da. Ich holte Eis aus dem Gefrierfach und half Lars dann in sein Zimmer, wo ich ihm das Eis auf den Fuß legte und mir noch einmal geduldig die Geschichte anhörte wie seine Verstauchung passiert sei. Felix langweilte sich unterdessen und lief immer wieder durch die kleine Wohnung.

Während er beschäftigt war, begann ich immer mehr zu zittern. Verdammt, ich brauch was! Nein, ich muss aufhören... Aber mein Körper braucht es... Ich brauch was. Ich hab ja noch das Heroin! Da gerade niemand auf mich achtete und Rico gerade auch beschäftigt war, kramte ich schnell mit zittrigen Fingern die Spritze raus. Ich brauchte nicht lange, bis ich die Vene fand und die Nadel in meinem Arm rammte. Dann begann ich, dem Kolben ruhte zu drücken und mir das Zeug zu injizieren.

"Rico!" Doch nicht so laut. Felix kam ins Zimmer gerannt und sah etwas erschrocken drein. "Aber Ally spritzt sich was." Was? Jetzt war ich doch etwas aufgebracht. Ich stand auf und hieß Felix bei Lars bleiben, während ich mit großen Schritten ins Wohnzimmer ging. Ally!

Ich hatte gerade meine Beine an mich heran gezogen und die Spritze raus gezogen, als ich Rico hören konnte und er ins Wohnzimmer kam. Daraufhin zuckte ich zusammen, die Spritze fiel mir aus der Hand und zerschellte Boden. Er klingt wütend... Ich krallte meine zitternden Hände in meine Haare. "Tut mir leid, ich... Ich kann nicht damit aufhören... Ich brauch das...", kam es verzweifelt von mir. Das Zittern meiner Hände verschwand langsam.

Nein tust du nicht. Und das auch noch vor den Kindern. Da verstand ich wirklich keinen Spaß. Meine Brüder waren alles was ich noch hatte und so musste ich sie beschützen. Ich hob die Spritze vom Boden auuf und griff nach Allys Tasche, worin sie die Droge wohl aufbewahrt hatte. Noch was von dem ich wissen sollte? Ich atmete durch und bemühte mich, mich wieder zu beruhigen. Ich musste das irgendwie klären. Ich konnte niemanden hängen lassen, der Hilfe brauchte.

"Du kannst in die Tasche schauen. Ich hab da weder das eine, noch Heroin mehr drin...",kam es leise von mir. Als er fragte, ob es noch etwas gab, was er wissen solle, sah ich auf. "Als ich von meinen Eltern sprach, hab ich gelogen. Sie sind tot! Seit dem ging es nur noch bergab! Ich bin wegen Drogen aus dem Waisenhaus geflogen, zahle für eine beschissene Bruchbude, hab nicht mal fließendes Wasser und schufte von früh bis spät!", brach es schließlich aus mir heraus, "Ich habe nichts und niemand! Auch wenn es der falsche Weg war, durch die Drogen konnte ich wenigstens mal für einen Moment dieses kalte,
hässliche Leben hinter mir lassen!"

Ich seufzte bei ihrer Geschichte leise und setzte mich neben sie. Drogen sind nie eine Lösung, okay? Ich kann nicht zu einhundert Prozent nachvollziehen wie du dich fühlst, aber ich denke doch ein Bisschen. Wenn du hier bleiben willst muss das aufhören. Damit hatte ich ihr nun unbewusst das Angebot gemacht bei mir zu bleiben, doch ich überriss es selbst im Moment nicht.

Überrascht sah ich ihn an. Zwar hatte ich Heroin intus, aber ich war momentan noch klar genug, um zu verstehen, was er eben gesagt hatte. "Ich kanns versuchen, aber bis heute... hatte ich schon zwei Rückfälle. Auch wenn ich in eine Entzugsklinik gehe... ich schaff das nicht allein...kannst... kannst du mir vielleicht dabei helfen?", fragte ich dann unsicher, "wenn... wenn icb dich aber zu sehr mit meinen Problemen belästige, sag Bescheid..." Ich sah zu Biden und wagte es nocht, den Mann neben mir anzusehen.

Ich fuhr mir müde mit der Hand durchs Gesicht. Ich hatte selbst einen Haufen Probleme. Rechnungen die bezahlt gehörten, meine kleinen Brüder die später studieren können sollten, Kleidung, Arbeitsmaterial und Essen das ich kaufen musste. Doch ich konnte niemanden alleine lassen, der mich um Hilfe bat. Ich werd dir helfen, aber das kann ich nur, wenn du das wirklich ändern willst. Wenn herauskam, das ich eine Schülerin bei mir beherbergte konnte ich mir meinen Job aufmalen. Doch ich konnte und wollte Ally nicht alleine lassen. Ich wusste wie schwer es war, wenn die Eltern starben und man alleine da stand.

Natürlich wusste ich nicht um die Probleme, die er selbst hatte. Sonst hätte ich ihn wohl nie um Hilfe gebeten. Andererseits gab es gerade niemand außer ihm, am den ich mich überhaupt wenden konnte.
"Ich möchte es ändern! Und wenn ich mein Leben wieder im Griff habe, werde ich dir jeden Cent, den ich dir gekostet habe, zurück geben!", versprach ich dann. Jedoch merkte man, dass ich langsam abdriftete und das Heroin seine Wirkung entfaltete.